Erster AfD-Landrat in Deutschland – Sesselmann gewinnt Stichwahl in Sonneberg                           

Die Wahlempfehlungen von Grünen, Linken und SPD haben nicht ausgereicht: die Bürger von Sonneberg konnten sich bei der gestrigen Stichwahl nicht eindeutig für den CDU-Landratskandidaten Jürgen Köpper entscheiden. Profitiert hat Robert Sesselmann von der AfD. Damit wird die Partei ihren ersten Landrat bundesweit stellen. AfD-Landeschef Björn Höcke jubelt und kündigt ein politisches Erdbeben in Ostdeutschland an.

Die AfD #Thüringen setzt heute wieder ein Ausrufungszeichen, das in der ganzen Republik wahrgenommen wird.

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Sesselmann, der schon im ersten Wahlgang vor zwei Wochen mit 46,7 Prozent die meisten Stimmen bekam, gewann die Stichwahl mit 52,8 Prozent, Jürgen Köpper von der CDU erhielt 47,2 Prozent – 5,6 Prozentpunkte weniger als Sesselmann.
In den Medien erhielt die Wahl im kleinsten und einwohnerschwächsten Landkreis in Thüringen seit dem ersten Durchgang hohe Aufmerksamkeit. Die Schlagzeilen zum gestrigen Wahlergebnis sind geprägt von Schlagworten wie „Entsetzen“, „Schock“, oder „Ein Schlag ins Gesicht der Demokratie“.
Dabei lag die Wahlbeteiligung im zweiten Wahlgang mit 59,6 Prozent mehr als 10 Prozentpunkte höher als in Runde 1. Von den knapp 48.000 Wahlberechtigten hatten im ersten Durchgang vor zwei Wochen nicht mal die Hälfte (49,1 Prozent) ihre Stimme abgegeben. Zum Vergleich: Bei der Landratswahl 2018 lag die Wahlbeteiligung im ersten Durchlauf bei 48,4 Prozent, bei der Stichwahl zwischen dem parteilosen Hans-Peter Schmitz (unterstützt von Die Linke / SPD) und Danny Dobmeier von der CDU sogar nur bei 33,3 Prozent.

Verfrühter Abgesang auf die Demokratie?

Ein Abgesang der Demokratie, wie teils noch am Wahlabend kommentiert wurde, ist es daher nicht. Sesselmann wurde demokratisch und mit für eine Stichwahl um einen Verwaltungsbeamtenposten erfreulich hoher Wahlbeteiligung gewählt.

Die Frage sollte eher lauten: Warum wählten 52,8 Prozent demokratisch den Kandidaten einer laut Verfassungsschutz als „erwiesen rechtsextrem“ beschriebenen Partei, die mit demokratischen Prinzipien wie einer ungehinderten und freien Berichterstattung offenbar wenig am Hut hat.

Aber wie bereits beschrieben, ist für die AfD eine ihr gewogene Medienlandschaft nicht erforderlich. Für das Erzielen von Reichweite braucht man die Medien nicht, denn über Social Media und Messenger-Kanäle gibt es andere Wege, direkt und ohne Medienfilter mit potentiellen Wählerinnen und Wählern zu kommunizieren.

Gleichzeitig hat die Begleitberichterstattung, die selbst Wahlen in deutschen Großstätten in den Schatten stellte, für ein massives Grundrauschen bis hinein in den fränkisch geprägten Süden des Freistaates Thüringen gesorgt.

Dabei wurde nicht selten die Antwort auf die Frage, welche Aufgaben ein Landrat tatsächlich hat und wo die Grenzen seiner Wirkung liegen, verschwiegen. Es spielte auch keine Rolle, denn es ging um die Frage, ob die AfD es schaffen würde. Was Sesselmann jetzt tatsächlich beeinflussen kann, darüber wurde kaum berichtet. So ist in der Öffentlichkeit zwar eine Zuspitzung erreicht worden, was durchaus einen Anteil an der Mobilisierung gehabt haben wird, aber es ging nicht um Inhalte und die Themen für die Menschen vor Ort, die ein Landrat entscheiden kann – oder sie stumpf umsetzen muss, weil ihn Landes- oder Bundesgesetze dazu verpflichten.

Es bleibt abzuwarten, ob ein AfD-Landrat, der auch über keine Mehrheiten im Kreistag verfügt, nicht am Ende für ein verkatertes Wahlvolk sorgt, dass erkennen muss, dass die Abschiebung von Flüchtlingen oder die Frage der Heizung weit außerhalb der Einflussmöglichkeiten eines Landrates sind. So hat die AfD in ihrer Positionierung alles auf den (Stich-)Wahltag fokussiert. Das ist für die Kampagnenführung nur konsequent. Aber im Falle eines Wahlerfolgs muss ihr Kandidat dann eben auch die nächsten sechs Jahre liefern…

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