Eminem vs. Ramaswamy – und wie es mit Wahlkampfsongs in Deutschland aussieht

Bekannte und beliebte Songs sind auch in politischen Kreisen bekannt und beliebt – und das weltweit. Und anstatt gesichts- und belanglose Fahrstuhlmusik zur Überbrückung von Pausen oder Wartezeiten auf politischen Veranstaltungen zu spielen, greifen Kampagnenmanager nicht selten auf eben diese bekannten und beliebten Songs zurück – jedoch nicht nur um die Gäste bei Laune zu halten, sondern auch um eine Grundstimmung zu fördern. Meist geht es dabei um Aufbruch, Gemeinschaft oder den Namen von Politikerinnen und Politikern.

Nicht immer finden Künstler die Nutzung ihrer Songs im Zusammenhang mit bestimmten Kandidatinnen und Kandidaten oder politischen Richtungen schön. Im Gegenteil: Immer öfter wird dies explizit abgelehnt und die Künstlerinnen und Künstler gehen sogar juristisch gegen die Nutzung ihrer Werke vor.

Nun trifft es den aktuellen Shooting-Star im Vorwahlkampf der US-Republikaner, den Unternehmer Vivek Ramaswamy. Bei einem Wahlkampfauftritt rappte der Kandidat offenbar spontan einen Song von Marshall Bruce Mathers III – weltweit bekannt unter seinen Künstlernamen Eminem und Slim Shady. Ramaswamy soll in jüngeren Jahren unter dem Namen „Da Vek“ häufiger dem Sprechgesang gefröhnt haben.

Eminem vs. Ramaswamy

Medienberichten zufolge geht Eminem gegen Ramaswamy vor. Dieser jedoch kontert unter Anspielung auf eine Songzeile aus dem Titel „The Real Slim Shady“:

Das ist insofern doppeldeutig, weil der Song von Eminem aus dem Jahr 2000 selbst auch eine Anspielung ist – und zwar auf die Fernseh-Quiz-Show „To Tell the Truth“, die in mehreren Auflagen auch in Deutschland unter dem Namen „Sag die Wahrheit“ lief und läuft. In der Show behaupten mehrere Protagonisten, die gleiche Person zu sein, aber nur eine Person sagt die Wahrheit. Durch Befragung durch ein Rateteam muss die richtige Person herausgefunden werden. In der Originalshow bittet der Moderator am Ende, dass sich die richtige Person zu erkennen gibt – immer mit den Worten: „Would the real … please stand up?!“, was wiederum Eminem im Refrain seines Songs nutzt.

Ramaswamy nutzt für seine Kampagne einen Claim, der nur aus einem Wort besteht: Truth. Damit schließt sich dann der Kreis zur von Eminem zitierten Show und macht die Reaktion genauso mehrdeutig wie Eminems Song.

Trumps lange Nein-Liste

Bereits in der Vergangenheit gingen insbesondere in den USA Künstler gegen die Nutzung ihrer Songs in Wahlkämpfen vor. Bruce Springsteen wollte bspw. schon vor vielen Jahren nicht, dass Ronald Reagan „Born in the USA“ nutzt. Besonders in den Fokus gelangte das Thema mit der Kandidatur von Donald Trump, wo es reihenweise „Nein“ aus der Künstlerschaft hieß: Adele, Aerosmith, Phil Collins, Everlast, Guns’n’Roses, Ossy Osbourne, Tom Petty, Prince, Queen, R.E.M., Rihanna, The Rolling Stones, Bruce Springsteen, Pharell Williams und Neill Young sind nur die bekanntesten – und teils mit mehreren Songs betroffen. Sie alle gingen gegen die Kampagne vor.

Jedoch ist die Untersagung der Nutzung schwierig. Zwar können sich Künstler auf Markenrechtsverletzungen berufen – allerdings nur dann, wenn beim potentiellen Käufer der Musik der Eindruck entstehen kann, dass der Künstler den Politiker unterstützen würde. Das ist bei unkommentierter Hintergrundmusik vor Beginn einer Veranstaltung eher weniger anzunehmen als bei einer musikalischen Untermalung eines Spots. Um rechtlich ersteinmal auf der sicheren Seite zu sein, kaufen Kampagnen daher die Nutzungsrechte an Songs ein – allerdings nicht einzeln pro Song, sondern i.d.R. für ganze Bibliotheken mit zehntausenden Stücken. Daraus bedient man sich sodann, die Vergütung erfolgt pauschal.

USA: Nutzungsausschluss möglich

In den Rechteverträgen mit den Künstlern gibt es die Möglichkeit die Nutzung der Songs für besondere Nutzungen – bspw. für politische Veranstaltungen oder Wahlwerbung – auszuschließen. Dies machen mittlerweile verschiedene Künstler. Rechtlich schwierig ist es jedoch dann, wenn diese besondere Nutzung nicht ausgeschlossen wurde und dies nach einer erstmaligen Nutzung im politischen Umfeld nachgeholt werden soll, denn: Es wurden ja die Nutzungsrechte an einer ganzen Bibliothek vertraglich gesichert, aus der nun einzelne Werke nachträglich wieder herausgelöst werden sollen…

Der Umgang ist also durchaus schwierig. Daher haben in den USA verschiedene Künstlerinnen und Künstler in einem öffentlichen Brief über die Artist Rights Alliance – kurz: ARA – bereits vor der Wahl Trumps gefordert, dass die Nutzung von Songs um Umfeld politischer Veranstaltungen eine Zustimmung von Künstlern, Autoren und Rechteinhabern erfordert – und zwar vor der Aufführung. Als Schlagwort wurde damals #AskFirst geprägt. Zue den Unterzeichnern gehörten seinerzeit u.a. Elton John, Mick Jagger, Sheryl Crow und viele andere.

GEMA-Rechte reichen nicht zwingend

In Deutschland ist die Situation etwas anders, denn hier hat i.d.R. die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte – kurz: GEMA – die Rechte inne. Parteien schließen daher meist Rahmenverträge mit der GEMA ab, wobei oft auch ihre Untergliederungen und ihre Kandidatinnen und Kandidaten umfasst sind. Damit besteht dann Zugriff auf die gesamte Bibliothek, die von der GEMA vertreten wird, was faktisch alle mehr oder weniger oft gespielte Musik in Deutschland umfasst. Will man das Thema umgehen, muss man explizit nach sog. GEMA-freier Musik suchen. Dies gilt für normale Hintergrundbegleitung – aber auch nicht unbegrenzt. So hatte die nationalsozialistische NPD (heute: „Die Heimat“) einen Song der Band „Die Höhner“ gespielt, wogegen die Gruppe juristisch vorging. Am Ende stand ein Urteil des Bundesgerichtshofes mit einem klaren Urteil: Wenn die Musik in die Dramaturgie einer Veranstaltung eingebunden ist, dann reicht eine GEMA-Lizenz nicht mehr aus. Hintergrund ist das sog. Urheberpersönlichkeitsrecht, bei dem es bspw. um die Entstellung eines Werkes (hier: eines Songs) geht. Aber es gilt: Klar, was erlaubt und was nicht erlaubt ist, ist damit noch lange nicht alles. Denn wie geht man damit um, wenn auf einer Wahlparty spontan der Song „An Tagen wie diesen“ von den Toten Hosen spielt wird? Ist das eine Einbindung in die Dramaturgie? Ist das eine Entstellung des Songs? Die Nutzung des Songs auf einer erfolgreichen Bundestagswahlparty der CDU fanden Sänger Campino und seine vier Bandkollegen jedenfalls nicht so gut und erklärten das öffentlich. Rechtliche Konsequenzen hatte es jedoch nicht. Vielleicht auch, weil Angela Merkel höchstselbst nach der Wahlparty bei Campino angerufen haben soll…

Es bietet sich also an, explizit zu klären, wie ein Song in politische Veranstaltungen eingebunden wird. Ist es nur ein Hintergrundgeplänkel vor Beginn oder in einer Zählpause? Oder ist es die Einlaufmusik für die Spitzenkandidatin oder der emotionale Teppich eines Kandidatenspots?

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