Verliert Michael Kretschmer seine Facebook-Seite?

Womöglich rächt sich jetzt, worüber wahlkampfnews.de im Zusammenhang mit Nancy Faser bereits berichtet hat: Regierungsmitglieder und ihre persönlichen Social-Media-Seiten unterm Dach des Ministeriums…

Heute Vormittag um 10:36 Uhr verschickte die Sächsische Datenschutz- und Transparenzbeauftragte Dr. Juliane Hundert eine Pressemitteilung, die aus fünf Absätzen bestand. Überschrift: Staatskanzlei muss Facebook-Fanpage abschalten.

Dr. Hundert erläutert kurz, dass die Datenschutzbedenken ihres Hauses von der Staatskanzlei nicht entkräftet werden konnten und ergänzt: „Die Öffentlichkeitsarbeit [Anm.: einer öffentlichen Stelle] darf nur auf rechtmäßige Weise betrieben werden. Die Nutzung von Facebook hingegen ist derzeit ohne Rechtsverstöße unmöglich. Datenschutzrechtliche Standards sind von öffentlichen Stellen jedoch auch bei der Verwendung von Werbenetzwerken wie Facebook einzuhalten.“

Gemäß der Datenschutz-Grundverordnung ist die Sächsische Datenschutz- und Transparenzbeauftragte befugt, die Verarbeitung personenbezogener Daten zu verbieten. Außerdem kann sie – wie auch im betreffenden Fall – Verwarnungen aussprechen. Dr. Hundert kritisiert auch, dass die Staatskanzlei mit ihrer Facebook-Seite gegen das TTDSG (Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetz) verstößt. Ohne ausreichende Rechtsgrundlage werden Cookies auf den Geräten der Nutzenden gesetzt bzw. personenbezogene Daten erhoben, an Facebook übermittelt und zu hochangereicherten personenbezogenen Werbeprofilen verarbeitet.

Nun richtet sich die Verfügung ersteinmal nur gegen die Seite unter www.facebook.com/Freistaat.Sachsen. Jedoch wird auch die Seite von Ministerpräsident Michael Kretschmer von der Staatskanzlei betrieben.

Dr. Juliane Hundert macht in ihrer Pressemitteilung auch unmissverständlich klar, dass es ihr nicht nur um die Page des Freistaates Sachsen geht: „Das Verfahren gegen die Sächsische Staatskanzlei ist exemplarisch. Auch andere öffentliche Stellen im Freistaat Sachsen nutzen Facebook und sind zu rechtmäßigem Handeln verpflichtet. Sie sollten sich nicht hinter dem Verfahren gegen die Sächsische Staatskanzlei verstecken, sondern aktiv und umgehend die datenschutzwidrige Nutzung ihrer Facebook-Fanpages beenden.“ Heißt: Alle öffentlichen Stellen im Freistaat Sachsen sollen unter den aktuellen Rahmenbedingungen ihre Facebook-Seite offline nehmen. Davon betroffen wäre dann auch die Seite des Ministerpräsidenten, der heute mehr als 56.000 Menschen folgen. Neben einer Reichweitensteigerung durch Anzeigen für inhaltliche Beiträge ist in der Vergangenheit dort auch Steuergeld eingesetzt worden, um die Zahl der Follower und „Gefällt mir“ zu erhöhen – und damit die Reichweite zu vergrößern. Würde Kretschmer nun entscheiden, dass er selbst oder die von ihm als Vorsitzender geführte CDU Sachsen die Seite übernimmt, so würde er wohl auch eine in Größenordnungen durch Steuergeld aufgebaute Reichweite übernehmen.

Ob die einfache Übernahme der Seite einer staatlichen Stelle durch eine nichtstaatliche Stelle überhaupt legal ist, damit dürften sich auch vor dem Hintergrund der Nähe zur nächsten Landtagswahl – Sachsen wählt am 01. September 2024 einen neuen Landtag – wahrscheinlich Gerichte beschäftigen.

Spannend ist das Thema auch vor dem Hintergrund, dass Kretschmer und sein Thema aus der 2010 eingerichteten Michael-Kretschmer-Seite 2017 die Ministerpräsidentenseite gemacht und sie überdies 2019 mit einer offenbar weiteren Kretschmer-Seite zusammengeführt haben:

2010 war Kretschmer noch CDU-Bundestagsabgeordneter und gerade einige Monate stellvertretender Fraktionsvorsitzender. Am 13. Dezember 2017 wurde er vom Sächsischen Landtag als Nachfolger von Stanislaw Tillich zum Ministerpräsidenten gewählt – und direkt die Seite in „Ministerpräsident Michael Kretschmer“ umbenannt. Auch übernahm am gleichen Tag die Staatskanzlei die Verantwortung.

Sollte Kretschmer seine Seite verlieren, böte sich die Reaktivierung der „Team Kretschmer“-Seite an – allerdings mit einer deutlich geringeren Reichweite von unter 10.000 Fans/Followern statt mehr als 50.000.

Dass man auch als Ministerpräsident seine Facebook-Kommunikation nicht über steuerfinanzierte Regierungskanäle organisieren muss, zeigt sein Kollege aus Thüringen: Bei Bodo Ramelow liegt die Namensseite in der Verantwortung des Landesverbandes der Linkspartei. Dr. Rainer Haseloff (CDU) aus Sachsen-Anhalt und Dietmar Woidke (SPD) aus Brandenburg haben keine aktiv betriebenen Namensseiten.

Durcheinander geht es bei Manuela Schwesig zu: Dort wird auf das Impressum ihrer Webseite verwiesen (Verantwortung: Landesverband der SPD) und auf die Datenschutzrichtlinien der Landesregierung:

Wenn wir im Osten bleiben fehlt mit Kai Wegener noch Berlins Regierender Bürgermeister von der CDU. Hier betreibt er in seiner Eigenschaft als Mitglied des Abgeordnetenhauses seine Facebook-Seite.

Es dürfte interessant zu sehen sein, wie Kretschmer mit seiner Seite in den kommenden Wochen umgeht – und ob die steuerfinanzierte Staatskanzlei gegen die steuerfinanzierte Datenschutz- und Transparenzbeauftragte vor Gericht ziehen wird.

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